Die belgische Marke Specter weckt Erinnerungen an den gleichnamigen James-Bond-Film – dank der futuristischen Merkmale des E-Bikes, dem souveränen Allradantrieb am 1S Long Range sowie Anleihen von Tesla und Apple.
Tesla war der erste Elektroauto-Hersteller, der mit Dual Motor geworben hat. Auf dem Zweirad konnte sich der Allradantrieb bisher nicht durchsetzen, was erstaunlich ist. Denn ein zusätzlicher Nabenmotor bringt tatsächlich spürbare Vorteile. In der Kurve schiebt das Bike nicht einfach übers Vorderrad, sondern wird von diesem durch die Kehre gezogen. Das Specter 1S Long Range wartet noch mit anderen Besonderheiten auf. Der tabletartige Bildschirm mit einer Diagnonale von 15 Zentimetern ist der bisher grösste, den ich an einem E-Bike gesehen habe. Damit wird auch die Navigation zum Kinderspiel.
Der Touchscreen lässt sich mit der grossen Umschalttaste auf der linken Seite in maximal drei Bereiche aufteilen. Zu navigieren ist so supereasy und das implementierte Garmin-Radar (als Option), das sich neben den Fahrdaten einblenden lässt, zeigt, was sich dem Specter von hinten annähert. Auch ohne Navi-Bildschirm wird die maximal erlaubte Geschwindigkeit in 20er- und 30er-Zonen auf dem Tacho eingeblendet. Die kleine Taste links steuert unten das (Fern-) Licht und oben die Hupe. Auf der rechten Seite ist die Einschalttaste, die ebenfalls zwei kleinere Tasten zur Seite hat. Damit lassen sich die Unterstützungsstufe oder im Manual-Modus die sechs Gänge vorwählen. Es dauert jeweils einen Moment, bis sie elektronisch eingelegt werden. Auf Automatik schaltet die Enviolo-Nabe autonom, für meinen Geschmack etwas zu früh hoch. Auch das lässt sich mittels App jedoch anpassen. Die Umschaltung von Automatik auf Manual erfolgt über den Bildschirm, der auch Touchscreen ist. Das war die einzige Herausforderung des ansonsten logischen Bedienkonzepts: herauszufinden, welche Funktionen mittels Touchscreen und welche mittels Drucktasten aufrufbar sind.
Die Daten wie auch Updates holt sich das Specter selbstständig übers Handynetz aus dem Internet. Es braucht also eine Sim-Karte und Datenvolumen, die vorerst von Specter gestellt werden. Die Online-Anbindung ermöglicht, dass man das E-Bike orten und mit Google Maps navigieren kann. Es können zudem Wind- und Wetterdaten angezeigt oder die Musik von Spotify gestreamt werden.
Das Specter ist mit 32,5 kg kein Fliegengewicht, aber in Anbetracht des gebotenen – Zentral- und Vorderradnabenmotor, elektronische Nabenschaltung, 1200-Wh-Akku – dennoch vergleichsweise leicht. Der Karbonrahmen wirkt dank seiner eleganten Profilierung optisch filigran und von vorne betrachtet schlank wie ein Zeitfahren-Rennrad. Zur Auswahl stehen drei Unterstützungsstufen: Range, Flow oder Fly, die sich gut spürbar unterscheiden – sowohl bezüglich Unterstützung als auch in Sachen Energieverbrauch. Auf Stufe Fly schiebt das Specter an, als ob es kein Morgen gibt; ebenaus immer wieder in den Bereich der Abriegelung, die bei ca. 46,5 km/h einsetzt (mit einem Garmin-Navi gemessen). Effektiv zeigt der Tacho dann psychologisch klug 48 bis 49 km/h an. Auf Stufe Chill lässt sich das Tempo an der Top-Speed-Grenze ebenfalls noch mit moderatem Pedalkraftaufwand halten; das E-Bike schiebt aber weniger in den Begrenzer, was tatsächlich ein chilligeres Fahrgefühl ermöglicht. Auf Stufe Range ist alles ein bisschen softer und man muss mehr in die Pedale treten. Wie stark die beiden Elektromotoren unterstützen, wird grafisch sehr ansprechend mittels unterschiedlichfarbener, runder Balken um die Geschwindigkeitsanzeige dargestellt. Das erinnert an die Fitness-App von Apple. Daneben gibt’s in Zahlen die Gesamtleistung aller Motoren und der Pedalkraft. Die Belgier können’s übrigens auch wesentlich leichter, ohne Vorderradnabenmotor und mit kleinerem Akku. Mit 720-Wh-Stromspender soll das E-Bike45 knapp unter 20 Kilo wiegen, was in dieser Klasse ein Rekord wäre.
Mehr Informationen vom Bike-Test gibt es in der Ausgabe 1/25 im Magazin easybiken.
Text und Fotos: Martin Platter
aus: easybiken, Heft Nr. 1/2025