«Pedelecs sollten mehr Leistung haben»

Hannes Neupert beschäftigt sich seit 1982 intensiv mit elektrischer Mobilität und insbesondere mit dem Pedelec. Im easybiken-Interview äussert er sich kritisch über Leistungsbeschränkungen, erklärt, was die Sicherheit verbessert und blickt in die Zukunft der Fahrradbranche und ihrer Produkte.

Gemäss Hannes Neupert verfügt das E-Bike der Zukunft über «flächige Strukturen ohne sichtbare Schrauben und formfallenden Räder, die Felge, Nabe und Speichen in einem Teil zusammenfassen.»
Gemäss Hannes Neupert verfügt das E-Bike der Zukunft über «flächige Strukturen ohne sichtbare Schrauben und formfallenden Räder, die Felge, Nabe und Speichen in einem Teil zusammenfassen.»
Hannes Neupert ist ein deutscher Industriedesigner. Seit 1982 beschäftigt er sich intensiv mit elektrischer Mobilität. 1989 war er Mitbegründer des Stuttgart Solar e. V. und des Arbeitskreises Solarfahrrad. 1992 veröffentlichte er die erste deutschsprachige Marktübersicht über Elektrofahrräder. Im Jahr 1996 publizierte er das Buch «Das Powerbike», das sich mit Elektrofahrrädern befasst. Er ist Mitbegründer und Präsident des ExtraEnergy e. V., einer deutschen Organisation, die sich der Förderung und Prüfung von Elektrofahrrädern widmet.
Hannes Neupert ist ein deutscher Industriedesigner. Seit 1982 beschäftigt er sich intensiv mit elektrischer Mobilität. 1989 war er Mitbegründer des Stuttgart Solar e. V. und des Arbeitskreises Solarfahrrad. 1992 veröffentlichte er die erste deutschsprachige Marktübersicht über Elektrofahrräder. Im Jahr 1996 publizierte er das Buch «Das Powerbike», das sich mit Elektrofahrrädern befasst. Er ist Mitbegründer und Präsident des ExtraEnergy e. V., einer deutschen Organisation, die sich der Förderung und Prüfung von Elektrofahrrädern widmet.

Wer hat das E-Bike erfunden?
Hannes Neupert, Präsident des ExtraEnergy e. V: Nun hier würde ich mal differenzieren, das E-Bike wurde bereits im 19. Jahrhundert in den 1890er Jahren von mehreren Menschen umgesetzt. Das Pedelec wurde 1982 von Egon Gelhard patentiert, er ist aus meiner Sicht der Erfinder. Das erste fahrbare Pedelec wurde von Michael Kutter 1990 in Basel vorgestellt.

Wie sind eigentlich die beiden E-Bike-Kategorien (25 km/h und 45 km/h) entstanden?
Hannes Neupert: Das Pedelec25 wurde in Japan 1992 in der Gesetzgebung weltweit erstmalig definiert. Das Pedelec 25 wurde 1994 in Deutschland das erste Mal umgesetzt und kurz drauf auch europäisch beschrieben. In der Schweiz wurde das Pedelec45 schon 1992 definiert und dann 2000 auch in Deutschland und damit in der EU eingeführt.

Nach welchen Kriterien hat man die Maximalleistung von 250 bzw. 500 Watt festgelegt?
Hannes Neupert: Das ist leider ein übler Unfall – in der ersten Ausnahmeverordnung von 1994 durch den Deutschen Verkehrsminister Wissmann hat man das Musterprodukt quasi in der Gesetzgebung beschrieben – das Pedelec der Marke Joker hatte 250 Watt Nenndauerleistung in der Spezifikation stehen – dies wurde ohne Nachdenken in die Gesetzgebung übernommen.

Weshalb gelten in der Schweiz andere Leistungsgrenzen als im EU-Raum?
Hannes Neupert: Die Schweiz war immer schon Pionierland, was neue Gesetze im Bereich des Pedelecs angeht. Doch leider hat man sich auch in der Schweiz noch nicht vom aus physikalischer Sicht sinnfreien Sicherheitskonzept der Leistungsbegrenzung befreit und auf die Limitierung der tatsächlich aus Sicht der Unfallforschung relevanten Parameter Beschleunigung und maximaler Geschwindigkeit einigen können. Dies, obwohl der wohl wichtigste Forscher in diesem Bereich, Dr. Andreas Fuchs, dies in der Schweiz seit vielen Jahren propagiert. Fuchs hat das Konzept des beschleunigungslimitierenden Sicherheitskonzeptes im Laufe der letzten 13 Jahre immer weiter detailliert und publiziert. Speziell aus Sicht eines Landes mit vielen steilen Anstiegen macht es Sinn, die Leistung nicht zu limitieren, sondern lediglich die Beschleunigung und die maximale Geschwindigkeit. Hier könnte es auch Sinn machen, die Geschwindigkeit, die bergab erreicht wird, miteinzubeziehen.

Kannst du das Sicherheitskonzept noch ausführlicher beschreiben?
Hannes Neupert: Das Konzept zielt darauf ab, das Anfahrverhalten von E-Bikes so zu gestalten, dass es dem eines herkömmlichen Fahrrads ähnelt. Durch eine clevere Definition der Beschleunigung in der Software des Pedelecs wird das Anfahrverhalten reguliert, sodass das Unfallrisiko nicht höher ist als bei einem herkömmlichen Fahrrad. Es gilt die Motorunterstützung so zu steuern, dass plötzliche und unkontrollierte Beschleunigungen vermieden werden.

Was ändert sich für die Akkuhersteller und was für E-Bike-Hersteller?
Hannes Neupert: Am Ende muss der Fahrzeughersteller dafür geradestehen, dass alle Komponenten inklusive der Batterie die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen. Die dafür notwendige Kompetenz hat aber meines Wissens keiner der Fahrzeuhersteller, der aktuell in der EU liefert. Daher sollten die Vorlieferanten diese Kompetenzen haben. Aber auch hier ist das nicht immer gewährleistet. Das fängt dabei an, dass ab September 2025 die Übergangsfrist zur Einhaltung der EN 50604+A1 Anforderungen abgelaufen ist. Also alle anderen Batterien nicht mehr neu in den Verkehr gebracht werden dürfen. Das entwertet mit einem Mal viele der vollen Lager von Händlern und Herstellern. Ich erwarte, dass die meisten diese Anforderungen nicht pünktlich erfüllen werden. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Marktaufsichtsbehörden durchgreifen. Wenn hart kontrolliert wird, wird dies zu einer bisher ungesehenen Konkurswelle bei Händlern und Herstellern führen. Ich wundere mich, wie ignorant in der Branche mit einem so sicherheitskritischen Thema wie der Batteriesicherheit umgegangen wird.

Wie wird das E-Bike in 10 und in 20 Jahren aussehen?
Hannes Neupert: Viel flächiger im Design, ohne sichtbare Schraubverbindungen, so wie moderne Produkte wie PKWs und Mobiltelefone. Sie werden sich über die Software definieren und uns auch nicht mehr gehören, sondern als Mobilitätsservice pro Zeiteinheit zur Verfügung stehen. Der Fahrspass wird massiv erhöht sein, dank individualisierter Software, die sich unserer Tagesverfassung anpasst und uns auf dem Weg zur Arbeit wach machen und einen Motivationsschub geben wird, auch wenn wir noch müde und trübe im Kopf gestartet sind. Das Elektrovelo als Personal-Coach, Kaffee-Ersatz und Spassobjekt. Jeder Velohersteller ohne kompetente Softwareabteilung wird in 10 bis 20 Jahren vom Markt verschwunden sein. Der Diebstahl von Pedelecs wird ein Thema der Vergangenheit sein. Die Formate von Pedelecs auch mit mehr Spuren, mit Wetterschutz, als Freizeit- und Familiengerät, als Handwerkerfahrzeug werden sich immer weiter diversifizieren. Das Velo wie wir es die letzten 100 Jahre kannten, wird zum extrem hochpreisigen Liebhaberobjekt aufsteigen – so wie heute die rein mechanischen Schweizer Uhren!

2023 stellte Look mit dem Modell Rover seinen ersten seriellen Hybridantrieb von Cixi vor.
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Das komplette Interview ist in der Ausgabe 1/25 im Magazin easybiken zu lesen.

Interview und Fotos: Martin Platter
aus: easybiken, Heft Nr. 1/2025

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